"Du hast einen Kopf wie ein Sieb..." Wieder was vergessen, woran ich eigentlich denken wollte. Oder sollte. Oder könnte, aber mir fällt der Name nicht mehr ein, was wollte ich einkaufen? Heute war doch irgendwas...werde ich alt? Oder doof? Und was soll da dein Spruch mit dem Sieb? Mein Kopf ist kein Sieb, er ist ein...eine...
Ich kenne mich schon ein paar Jahre. Ganz gut sogar. Und ein Sieb bin ich sicher nicht. Ich bin kein hohles Gefäß aus dem die Soße rausläuft und irgendein Zeug darin zurückbleibt. Mir gehen Dinge und Erinnerungen nicht einfach durch die Lappen - im Gegenteil. Ganz im Gegenteil. Genaugenommen bin ich eher ein komplett dichtes Gefäß, und du hast nur dann die Chance etwas von meinen Gedanken zu erkennen, wenn etwas überschäumt oder ich mich bequeme, mich etwas zu deiner Seite zu neigen damit was rausschwappen kann. Ich vergesse nichts, denke aber manchmal an so viele andere Dinge das mir das Wichtigste nicht mehr einfällt. Was bin ich?
Und da war die Lösung. Direkt vor mir. Etwas trocken und uneben, fest aber nicht hart, nicht glatt und auch nicht rauh, nicht mehr ganz frisch aber bei guter Lagerung lange haltbar, unten etwas bauchig, oben dran wirre und verknotete Reste alter Blätter. Ich bin eine Zwiebel. Eine Denkzwiebel. Nicht, weil sie einem die Tränen in die Augen treiben kann. Nicht, weil sie Blähungen verursacht. Ich bin eine Denkzwiebel, weil die Schichten meiner selbst unter einer dünnen Haut liegen. Weil der erste Eindruck vorgibt, ich sei trocken. Weil ich im Dunkeln unter der Erde ausharren kann bis mein Moment gekommen ist, in dem der neue Trieb sichtbar wird und sich entfaltet. Weil der neue Keim immer am Kopf aus mir heraussprießt - sonst täte es ja auch eine schnöde Kartoffel. Weil in mir eine symmetrische Ordnung herrscht die nur funktioniert, wenn alles eng miteinander verbunden ist. Weil Schicht für Schicht eine andere Farbnuance haben kann. Weil ich im Licht glänze. Und weil meine Ringe keinen Anfang und kein Ende haben.
Ich bin eine Zwiebel. Eine Denkzwiebel...